Liedlein von den Gelt-liebenden Welt-Freunden (Poem)

 

This text comes from a collection of German-speaking women's literature entitled "Deutsche Dichterinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart: Gedichte und Lebensläufe. Herausgegeben und eingeleitet von Gisela Brinker-Gabler." This text was graciously donated to the Sophie library by Gisela Brinker-Gabler.

The Foreword and Introduction may be read HERE.

 

1.
Geldt und Welt-Freund vertrawen /
Ist wie auff sandich grund /
Ein hohes Schloß zu bawen /
Exempel machens kund /
Das sie sehr unbeständig /
Vnd wanckelmütig sind /
Wenn das Glück wird abwendig.
Ihr keiner sich dann findt.

2.
Wir wissn in guten Tagen /
Wann das Glück scheint lieblich /
Von keinem Feind zu sagen
Freund / Freund / nennt jeder sich /
Man thut uns hoch erheben /
So lang der Beutel voll /
Vnd wir in Ehren schweben /
Glaub mir ich weis es wol.

3.
Wir seynd lieb und wilkommen
Allwo wir uns hinkehrn
Vnd werden angenommen /
Als wann wir Engel wehrn[1]
Mit Reverentz fein zierlich
Setzt man uns oben an /
Præsentirt uns manirlich /
Viel dienst und Freunschafft an.

4.
Huth zücken sich tieff neigen /
Die Händlein küssen auch /
Krum bücken und Knie beugen
Ist der Welt-Freund gebrauch /
Wer sich daran wil kehren /
Ist mehr dann halb vexirt /
Traw nicht auch wann sie schweren[2]
Ihr Freundschafft ist probirt.

5.
Man lest sich Bruder nennen /
Will stehn getrewlich bey /
Vnd sich nicht von uns trennen /
Wie groß die Noth auch sey /
Ja den Leib will man wagen /
Nicht allein Guth und Gelt /
Sind das nicht groß Zusagen?
Also gehts in der Welt.

6.
Mancher verheist darneben /
Daß er uns dienen woll'
Nicht allein weil wir leben /
Sondern sein Freundschafft soll
Bleiben bey unsern Erben /
Eydtlich er sichs verpflicht. /
Ein Narr mag darauff sterben /
Ich traw den Worten nicht.

7.
Sie folgen nicht im Wercke
Wer sich darauff verlest /
Der ist nicht klug das mercke /
Solch Zusag gehn nicht fest /
Ich hab vor wenig Jahren
Dergleichen angehort[3] /
Itzt muß ichs auch erfahren /
Das man vergist der Wort.

8.
Noth lehrt die Freund recht kennen /
Im Fewr Goldt scheinbar wird /
Freund soll man niemand nennen
Man hab ihn dann probirt /
O Trübsal Edle Probe /
Du zeigst mir meinen Freund /
Machst auch drumb ich dich lobe /
Mir offenbar den Feind.

9.
Im Creutz bleibt nicht verborgen /
Wo Feindschafft steckt verdeckt /
Auch wird in Noth und Sorgen /
Getrew Freundschafft erweckt /
Im Glück kan mans nicht lernen
Gleich wie man nicht erkennt
Bey Sonnenschein die Sternen
Am hohen Firmament.

10.
Im Sommer findt man Schwalben /
Zu Winter sind sie weit /
Also Freund allenthalben /
Auch in Glückseligkeit /
Wann das Glück herrlich blühet
Sind viel Freund umb uns her /
Ein jeder sich bemühet /
Vns zu erzeigen Ehr.

11.
Viel der Schwalben Gesellen /
Sehr offt bey uns einkehrn /
Vnd sich gantz freundlich stellen /
Sind frölich mit uns gern /
Wenn alles wol gerahten /
Vnd gedeckt ist der Tisch /
Wol schmecken unser Braten /
Die Freundschafft helt[4] sich frisch.

12.
Wirds aber unklar Wetter /
Schneyt uns Vnglück ins Haus /
So verleurt[5] sich der Vetter /
Die Freunde bleiben auß /
Frembd stelt sich auch der Schwager
Vnd kompt zu uns nicht mehr /
Wenn unser Supp ist mager /
Vnd unser Weinfaß lehr.

13.
Die offt fröliches Muhtes /
Mit uns gewesen seyn /
Vnd im Wolstand viel gutes
Haben genommen ein /
Seh'n wir im Vnglück fliehen /
Vnd für uns ubergehn /
Den Huth in Augen ziehen /
Wenn sie uns kommen seh'n.

14.
So pflegts die Welt zu machen /
Sehr freundlich sie sich stelt /
Wenn in all unsern Sachen
Fortun[6] sich zu uns helt /
Kehrt aber die den Rücken /
Bald wendt die Weldt sich auch /
Helfft uns mit untertrücken
Also ist ihr Gebrauch.

15.
Diß ich vor wenig Jahren /
Sehr wol empfunden hab /
Darumb laß ich sie fahren /
Scheid' von der Freundschafft ab /
All ihr zusag sindt Lügen /
Ihr Lieb ist Heucheley /
Ihr Halten ist Betriegen
Vnd eitel Schelmerey.

Trauvv vvolhat mich vexiret /
Glaub leicht auch mannigmal /
Sie haben mich geführet
Vom Berg herab ins Tahl /
Mein Pferd hinweg geritten /
Itzt muß ich gehn zu Fuß /
Narrn man nach alten Sitten /
Mit Kolben[7] lausen muß.

K
K.  VV. K.
K.

Kinder VVerdet Klug.
Exempel sind genug
An A.O.H. und mehr /
Seht euch nur wol umbher /
Vnd folget meiner Lehr.



[1] wären
[2] Schwören
[3] angehört
[4] hält
[5] verliert
[6] Fortuna = Glück
[7] Keulen, urspr. Waffe,
dann Abzeichen für Narren wie Kappe
 
Bibliographic Information
Editor
Gisela Brinker-Gabler
Publication Date
1991
Publication Place
Frankfurt am Main