Johannes der Täufer (Auszug)

This text was digitized and graciously donated to Sophie by Dr. Albrecht Classen, University of Arizona. This particular work has been extracted from Classen's Frauen in der deutschen Literaturtgeschichte; the full text is available on this site.

— Beispielhafter Auszug aus dem frühmittelhochdeutschen Original:
 
Nu sule wir mit sinnen    sagen von den dingen,
wie die zit aneviench   daz di alte e zergiench.
daz gescach in terra promissionis,   daz riche was do Herodis.
in deme zite gescach   micheles wunders gemach.
in Galilea was ein guot man,   Zacharias was sin nam


bi der burch ze Nazareth,   sin wip hiez Elizabeth.
iz waren iriu tougen   rain vor gotes ougen.
den liuten waren si minnesam,   diu tugent in von gote quam.
wir sagen iu von rehte   von ir beider geslahte.
 
Er was zuo eineme ewart erchorn   von grozzen vorderen geborn.
zuo Jherusalem in daz templum   da solte er gote dienen nach frum
sine wochen an der ahtoden stete,   got gewerte in siner bete.
diu stat hiez im Abyas,   also saget uns Lucas.
diu vrowe diu was tugenthaft,   in ir jungede unberhaft.
wir sagen iz vil rehte,   si was von Aarones geslahte.
in ir alter si gewan   den aller grozzisten man,
der was ze ware   gotes vorloufare.
er was ein herhorn des himeles   unde ein vander des ewigen chuniges.
 
 
Übersetzung ins Neuhochdeutsche:
 
1. Jetzt wollen wir gut überlegt von den Ereignissen berichten,
nämlich wie die [neue] Zeit anfing und die alte zuende ging.
Es geschah im versprochenen Land.  Damals herrschte Herodes.
Damals geschahen viele Wunder.
In Galilea lebte ein guter Mann namens Zacharias
in der Nähe der Stadt Nazareth; seine Frau hieß Elisabeth.
In ihrer Seele waren sie ganz rein, wie es Gottes Augen sahen.
Sie zeigten ihren Mitmenschen nur Liebe; diese Tugend rührte von Gott her.
Wir berichten euch ganz richtig über deren beider Familien.
 
2. Er war zum Priester vorbestimmt, da er in eine adlige Familie geboren war.
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(Schluß)
 
30. Als Johannes bemerkte, daß ihm sein Tod nahte, erhob er seine Hände zu Gott.
Er freute sich in seinem Inneren und empfahl Gott seine Seele.
Sie zerrten den Mann vor das Tor, und damit begann sein heiliges Leben.
Sie schlugen ihm das Haupt von seinem allerheiligsten Körper ab und gaben es dem König,
worauf dieser es der schlimmsten Frau überreichte.
Er wurde vor Christus geboren und für Gottes Recht erschlagen.
Die Engelscharen im Himmel freuten sich darüber.
Auch die Christenheit freute sich; überall wird sein Lob ausgesprochen
sowohl im Himmel als auch auf Erden, denn er ist wahrlich zu Gottes Ehren
von jetzt an in allem, was er sagte, für uns ein Fürsprecher geworden.

Bibliographic Information
Editor
Dr. Albrecht Classen