This text comes from a collection of German-speaking women's literature entitled "Deutsche Dichterinnen vom 16. Jahrhundert bis zur Gegenwart: Gedichte und Lebensläufe. Herausgegeben und eingeleitet von Gisela Brinker-Gabler." This text was graciously donated to the Sophie library by Gisela Brinker-Gabler.
The Foreword and Introduction may be read HERE.
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Alß dort Timantes[1] Agamemnons Schmertz /
Da Iphigenien man opfern wolte /
Und wie sein Vater Hertz
Sich drob gequählet / bilden solte /
Da zog er einen Flohr
Desselben Antlitz vor.
Und zeigte damit an /
Es könne seinem Pinsel nicht gelingen /
Wie kläglich er gethan /
Recht lebhafft durch die Fahrben rauß zu bringen.
Warum? der Hertzens-Stoß
Sey gar zu starck und groß.
Was ist ein eintzig mahl /
Man stelle Agamemnon mich entgegen /
Mich / der des Würgers Stahl
Das neundte Kind hat müssen nun erlegen /
Indem worauf mit Lust
Ich hofft / ins Grab gemust.
Zwung ein so tapfrer Held /
Ein König der gewohnet zu regieren /
Der damahls wolt ins Feld
Ein Kriegs-Heer gegen seine Feinde führen /
Durch sein sonst tapfres Hertz
Nicht einen solchen Schmertz?
Ja traut der Künstler sich
Nicht zu / da er sonst künstlich war in schildern /
Durch seines Pinsels Strich
Der Eltern Schmertz bey Kinder Tod zu bilden /
Daß er vielmehr verdeckt /
Was ihre Seel erschreckt /
Wer giebet mir denn Muth /
Wer will mir meine Feder künstlich schärffen /
Wie jetzo wall't mein Blut /
Auf dieses Blatt mit Worten zu entwerffen /
Die ich ein Weib nur bin /
Ach! hier erstarrt mein Sinn.
Die Hand erzittert mir /
Die Feder will mir ihren Dienst versagen /
Es schüttert das Papier /
Und kan die Schmertzens-Worte nicht ertragen /
Drum zeuge stummes Leyd
Von meiner Traurigkeit!