This Text was Collected by Kelsie Malyon and Edited and Prepared by Kajsa Spjut,
Brigham Young University
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Von der Uberwindung der
geistlichen Streiter Christi
Nach der dritten Pergamischen Gemeine.
Apoc. II. v. 12. 13. 14. 15. 16. 17.
Die dritte Gemeine zu Pergamo/ welche von hohen und erhabenen Oerten den Namen hat/ stellet vor den Zustand der geistlichen Streiter/ wenn sie nach ausgestandener Schmach und Trübsal vor der Welt in die Höhe kommen/ und grossen äusserlichen Beyfall erlangen/ auch von denen/ die es doch nicht rechtschaffen meynen: Wie es zur Zeit des Kaysers Constantini geschahe/ durch dessen Bekehrung die unter den 10. Heydnischen Verfolgungen zuvor gedruckte Kirche vor der Welt empor kam/ und viele sich zu Christo bekenneten/ die in der That keine wahre Christen waren/ ja wohl gar nach der Zeit Antichristen und Christi ärgste Feinde geworden sind.
Denn ob wir zwar jetzo noch in den Zeiten der Erniedrigung leben/ da die Kinder des Lichts keine beständige Ruhe und Ehre in der Welt haben/ welches sie auch nicht begehren/ als die nach der Ruhe und Würde der künfftigen Welt trachten: So pfleget es dennoch durch eine wunderbahre Regierung GOttes [Gottes] zu geschehen/ daß/ wenn die Warheit eine Zeitlang ist gedruckt und verfolget worden/ sie hernach auch von der Welt selbst hochgehalten und geehret wird.
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Und alsdenn fänget die Welt an/ auch die zuvor verfolgeten Zeugen der Warheit zu ehren und hoch zu halten/ und die vorher die Verachtesten waren/ die sind hernach die Herrlichsten: sonderlich/ wenn es geschiehet/ daß einige Grosse und Gewaltige sich zur Warheit wenden/ denen denn alsobald viele andere nachfolgen/ die sich auch zur Warheit bekennen wollen/ nicht aus Liebe zur Warheit/ sondern weil sie sehen/ daß die Warheit anfängt von den Grossen in der Welt geehrt zu werden/ und weil sie mercken/ daß ihnen das äusserliche Bekenntniß derselben zu ihrem fleischlichen Vortheil und Interesse dienen könne.
Bey solchem Zustande ist nun ein Streiter Christi in grosser Gefahr und Versuchung/ und muß wohl über sein Hertz wachen/ daß/ gleichwie ihn das Tieffe nicht hat von der Liebe Gottes scheiden können/ also auch das Hohe ihn davon zu scheiden nicht vermöge/ Rom. 8. v. 39. Denn weil ihm die Welt die Ehre und gute Tage fast mit Gewalt aufdringet: So hat er sich gar genau für zusehen/ daß er dadurch nicht unvermerckt bestricket werde/ von dem schmalen Wege der Verleugnung abzugehen/ und das edle Creutz Christi hinter sich zu werffen/ Und ist diese Versuchung desto gefährlicher: Weil sie nicht leichtlich als eine Versuchung erkandt wird/ von denen/ die schon einmal zu einer gründlichen Verleugnung des weltlichen Wesens hindurch gebrochen sind/ und nicht mehr auf eine solche grobe Weise (wie es wol bey den Anfängern zu geschehen pfleget/ welche die Welt als Welt versuchet) sondern
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auf eine solche subtile Weise (da die Welt nicht mehr als Welt erscheinet/ sondern unter dem äusserlichen Bekenntniß der Warheit für fromm angesehen wird) versuchet werden.
Denn so es geschiehet/ daß eine Seele/ die einmal der Welt und ihrer Herrlichkeit gäntzlich abgesaget/ und von der Welt schon so viel Schmach/ Haß/ Trübsal und Verfolgung erlitten hat/ mit solcher unvermutheten Ehre ohne eintziges Suchen und Begehren von der Welt beleget wird: So macht sie sich darüber grosse Freude/ daß die Warheit die zuvor n ihr gelastert und verfolget ward nunmehr in ihr gerühmet und geehret wird. Uber welcher Freude eine Seele/ die nicht wachsam bleibet/ ihrer selbst vergisst: Und weil sie nicht meynet/ daß sie die Herrlichkeit und eitele Ehre der Welt bestricken könnte/ als von der sie einmal sich loßgerissen; so kan sie unvermerckt von ihren Banden aufs neue bestricket werden.
Darum soll ein Streiter Christi/ wenn die Welt etwas aus ihm machen will/ diese Ehre nichts achten/ und gar behutsam seyn/ daß nichts davon in sein Hertz komme/ und soll es für seeliger halten vor der Welt geschmähet und verfolget/ als geehret und erhaben zu seyn: nach dem Fürbilde Christi/ welcher sich verbarg/ als das Volck/ das er in der Wüsten gespeiset/ ihn haschen und zum Könige machen wollte/ Joh. 6. v. 15. womit er gelehret/ das sein Reich nicht von dieser Welt sey/ gleich wie auch das Reich seiner geistlichen Mitstreiter nicht von dieser Welt ist.
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Man hat Exempel von wahren und rechtschaffenen Knechten Gottes/ an denen sich die Gnade unter der Verfolgung herrlich erzeiget/ daß sie hingegen durch solche Versuchung in grossen Verfall gerathen sind: Indem die Welt/ von welcher sie zuerst verfolget worden/ hernach einen Abgott aus ihnen gemacht/ und allein von ihnen die Warheit und Weißheit lernen wollen; wodurch sie denn zu einer heimlichen Selbst-Gefälligkeit/ und von der niedrigen und lautern kindlichen Einfalt/ zu einer groß-angesehenen Meisterschafft/ sind verleitet worden/ da sie doch die Menschen immer von sich auf GOtt und auf Christum/ den einigen Meister und Lehrer der Warheit/ hätten weisen sollen.
Es ist zwar gut/ daß die Warheit von vielen angenommen/ und nicht verfolget werde: Aber sie muß recht angenommen werden; nicht nur mit dem Munde/ nicht nur nach dem blossen äusserlichen Beyfall der Vernunfft sondern mit dem Hertzen in der That und in der Warheit. Allein dieses pfleget zu der Zeit/ wenn die Verfolgung aufgehöret hat/ und die Warheit vor der Welt in die Höhe kömmt/ gar von wenigen zugeschehen: Denn viele bekennen sich alsdenn zur Warheit/ nicht nach der Warheit/ sondern nach dem Schein.
Wir leben jetzt noch in den sieben Zeiten der Verfolgung und Erniedrigung/ und wissen/ daß in denselbigen nach der Schrifft der Antichrist unter dem Namen Christi seinen Stuhl hat aufrichten sollen/ wie er auch denselben aufgerichtet hat: Nun
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hat der Drache keine bessere Gelegenheit/ sich in dem Antichrist einem Stuhl aufzurichten/ als unter den Mund- und Schein-Christen/ die ohne Verfolgung sind/ und in den sieben Leidens-Zeiten weltliche gute Tage suchen/ Darum soll ein Streiter Christi bey solchem Zustande/ da die Welt der zuvor verfolgten Warheit Beyfall giebt/ und die Bekenner der Warheit groß machen und ehren will/ grosse Fürsichtigkeit beweisen. Teils in Ansehung sein selbst/ daß/ da er in den Tagen/ in welcher der getreue Zeuge Christi Antipas (unter welchem Namen alle getreue Blut-Zeugen Christi nach dem verborgenen Sin angedeutet werden) ist getödet worden/ den Glauben nicht verleugnet hat/ er nun auch in den Tagen/ da die Welt die Zeugen Gottes zu ehren anfängt/ an dem Namen Christi vest halte/ und den Glauben nicht verleugne: Nach der Anrede Christi an den Engel der Pergamischen Gemeine/ welchen er also anredet: Ich weiß/ was du thust/ und wo du wohnest/ da des Satans Stuhl ist/ und hältst an meinem Namen/ und hast meinen Glauben nicht verleugnet. Apoc. 2. v. 13. Und obwohl die Zeugen und Streiter GOttes sich selbst keine Verfolgung machen sollen/ wenn es die wunderbare Regierung Gottes Also ordnet/ daß sie eine Zeitlang ohne äusserliche Verfolgung in äusserlicher Ruhe seyn/ und von der Welt selbst nach ausgestandener Schmach geehret werden müssen: so sollen sie doch das Creutz Christi allzeit in ihrem
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Hertzen behalten/ und durch stete inwendige Selbst-Verleugnung in der innern Gestalt und Gemeinschafft der Leiden und des Todes Christi beständig verharren. Theils soll auch ein Streiter Christi Fürsichtigkeit beweisen/ in Ansehung anderer/ daß er nicht alle vor wahre Christen halte/ die sich zur Zeit der äusserlichen Erhöhung des wahren Christenthums zur Warheit Christi bekennen. Denn es ist uns ja vorher gesagt/ daß viele falsche Geister unter dem Namen Christi einher gehen würden/ und das der Antichrist mit seinem Anhang auf dem Wege des Lebens werde zur Schlangen werden: Und darum soll man nicht alle vor rechtschaffen ansehen/ die den rechtschaffenen Beyfall geben/ und sich des rechtschaffenen Wesens rühmen.
Es findet sich die Art Balacks/ die gegen das Volck Gottes eine heimliche Feindschafft heget/ so fromm sie sich auch anstellet: Es findet sich die Art Balaams/ die den Lohn der Ungerechtigkeit suchet/ und der Art Balacks gegen das Volck Gottes die heimlichen Pfeile schmiedet: Es finden sichdie an der Lehre der Nicolaiten halten/ welche die heilige Freyheit des Evangeln zum Deckel ihres fleischlichen Wesens machen/ Wer nun diese nicht nach der Warheit prüfet/ sondern ihre äusserliche scheinbare Worte sich bethören läst/ solche falsche Geister vor gut zu halten: Der sündiget hierin unterschiedlich. Erstlich: Daß er nicht vorsichtig ist/ sondern mit denen Gemeinschafft hat/ von denen er sich nach der
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Heiligkeit der Lehre und des Lebens Christi absondern solte. Zum andern: Das er solche falsche Geister und Schein-Christen durch die Gemeinschafft mit ihrem bösen Wesen noch mehr stärcket und zudecket/ die er durch seine Absonderung von ihnen bestraffen und auffdecken solte. Zum dritten: Daß andere gute Hertzen/ die auff sein Exempel sehen und schwächer denn er sind/ auf solche Weise können verleitet werden/ die falsche böse Art auch vor gut zu halten; welches ihnen denn zur Sünde gereichen kan/ daß sie sich von solchen falschen Geistern verführen lassen/ Götzen-Opfer zu essen und Hurerey zutreiben/ worüber der sonst rechtschaffene Engel der Gemeine zu Pergamo von CHristo billig bestrafft wird. Apoc. 2. v. 14. 15.
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seiner selbst/ und kan also/ da er sich’s am wenigsten versichet/ durch die verborgene Tücke der Natur am meisten übervortheilet werden.
Darum soll ein Streiter Christi seiner wohl wahrnehmen/ und auf die böse Natur/ doch nicht mit einer knechtlichen Furcht/ sondern mit kindlichem Hertzen/ acht geben. Denn obschon das inwendige antichristische Thier eine Zeitlang gantz fromm geworden zu seyn scheinet/ daß es das Ansehen hat/ als wäre es nicht: So ist es doch/ und wird wieder kommen aus dem Abgrund/ und dem geistlichen Menschen gnug zu thun machen; und wer in dem Licht Christi darauf acht hat/ der wird seiner heimlichen Tücke wohl gewahr werden.
Es weiß die böse Natur/ wenn sie mercket/ daß der angenommene Schein der Gnade dem Fleische Vortheil bringet/ sich auf so mancherley Weise zuverstellen/ und äffet der Gnade nach in allen Dingen/ als (zum Exempel) in schönen geistreich-scheinenden Worten/ in heiligscheinenden Lebens-Wandel/ in falscher Göttlicher Freude/ und dergleichen: Daß der Mensch welcher den Betrug nicht siehet/ dieses alles vor Gnade hält/ und andere mit ihm; da es doch nur ein verstelltes und falsches Wesen der sündlichen Natur ist/ das ferne ist von dem rechtschaffenen Wesen in CHristo / ferne von der wahren Evangelischen Freyheit/ und von der wahren Göttlichen Freude/ die der H. Geist wircket/ und nach welcher ein Mensch Gottes sich allewege des HErrn freuen soll. Und dadurch kan der Mensch gar sehr verfallen/ und lässt sich nicht
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wohl wieder zu rechte helffen/ wo der HErr ihm nicht die Augen öffnet: Denn er meynet/ daß er in der Gnade schon weit gekommen sey; und achtet diejenigen/ die noch über Sünde klagen/ oder auch ihn seines Elends erinnern wollen/ vor Unwissende und Schwache.
Damit nun ein Streiter Christi solchem Verfall entgehe; so muß er in heiliger Furcht Gottes wohl über sein Hertz wachen/ sich vor aller Verstellung der Natur hüten/ immerfort sich selbst vernichtigen/ und mit wahrer gründlicher Demuth/ welche der Natur ihr Tod ist/ und mit lauterlicher kindlicher Einfalt und Unschuld/ allezeit in Christum eindringen. Denn wo er dieses thut: So wird der/der da hat das scharffe zweyschneidige Schwerdt/ und nach solcher Vorstellung die Gemeine zu Pergamo anredet/ Apoc. 2. v. 12. in ihm sich offenbahren/ und mit seinem zweyschneidigen Schwerdt/ welches die verborgensten Gedancken und Sinnen des Hertzens richtet/ Hebr. 4. v. 12. Natur und Gnade/ Menschliches und Göttliches/ Schein und Warheit/ richten und von einander theilen/ und wird ihn frey machen von aller Unlauterkeit; und alles heimliche verstellte Wesen der verderbten Natur wird sich an diesem zweischneidigen Schwerdt aufreiben und zerschneiden müssen/ daß es in ihm nicht mag in die Höhe komen.
In diesem Kampff erlanget ein getreuer Uberwinder das verborgene Manna. Denn weil er sich weder das Niedrige und Bittere in Smyrna/
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noch das Hohe und Süsse in Pergamo/ von der Liebe Christi hat scheiden lassen/ sondern auch mitten unter der äusserlichen Ruhe und angebotenen weltlichen Herrlichkeit und Hoheit das Creutz Christi geliebet hat; so erquicket ihn der HErr davor mit himmlischer Süssigkeit. Und weil er mit den Maul- und Schein-Christen/ die sich mit dem heiligen Namen der Christen nennen/ und doch in der That gegen Christum sind/ keine Gemeinschafft hat: Siehe so schencket ihm der HErr ein weiß Steinschen mit einem neuen Namen/ zu einem Zeugniß deß rechtschaffenen Wesens; welchen neuen Namen er allein kennet/ Apoc. 2. v. 17. nicht aber die Schein-Christen/ die an solchem neuen Namen keinen Theil haben.